Bewältigung von Mangelernährung und Dehydratation bei Pflegeheimbewohner*innen (FA4 Modul 1)

Pflegeheimbewohner*innen sind häufig von Mangelernährung und Dehydration betroffen. Aufgrund der multifaktoriellen Entstehung beider Probleme können die individuellen Ursachen und auch die Ausprägungen sehr unterschiedlich sein, was individualisierte Interventionsstrategien zur Sicherung einer ausreichenden Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr notwendig macht. In bisherigen Studien zur Prävention und Therapie von Mangelernährung und Dehydration bei Pflegeheimbewohner*innen wurden fast ausschließlich einzelne Strategien eingesetzt, vor allem Trinknahrung und Anreicherung von Speisen. Individualisierte und multimodale Interventionskonzepte wurden bisher kaum untersucht.

Während der ersten Förderperiode von enable wurden verschiedene Strategien und Produkte zur Steigerung der Nahrungs- und Getränkezufuhr älterer Menschen entwickelt und in Pilotstudien getestet: ein Proteindrink, angereicherte, konsistenzangepasste und wieder in Form gebrachte Kost für Personen mit Kau- und Schluckstörungen sowie technische Hilfen für die Flüssigkeitsversorgung (intelligenter Trinkuntersetzer, Motivationsspiele). Da diese Strategien verschiedene Ernährungsprobleme adressieren, eignen sie sich gut für ein multimodales und individualisiertes Ernährungsversorgungskonzept zur Steigerung der Energie-, Eiweiß- und/oder Flüssigkeitszufuhr älterer Menschen.

Die spezifischen Ziele dieses Projektes sind:

  • die Optimierung der Produkte aus der 1. enable-Förderphase und die Erweiterung der Anreicherungsstrategien als Basis für ihren Einsatz in einer Interventionsstudie
  • die Entwicklung eines Konzepts zur Erfassung individueller Ernährungsprobleme und -bedürfnisse zur Ableitung geeigneter Ernährungsinterventionen
  • die Untersuchung der Effekte einer multimodalen individualisierten Ernährungsintervention im Vergleich zur üblichen Versorgung auf die Energie- und Nährstoffzufuhr und den Ernährungszustand von Pflegeheimbewohnern mit (Risiko für) Mangelernährung
  • die Evaluation der Praktikabilität der Intervention hinsichtlich Zeit- und Arbeitsbelastung
  • die Identifizierung von Motivatoren und Barrieren einer erfolgreichen Umsetzung der Intervention

Durchführung und erste Ergebnisse

Interventionsmodule:

In diesem Modul der enable-Focus Area 4 wurden zunächst gemeinsam mit den Partner*innen vom Fraunhofer IVV und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf die Produkte aus der 1. enable-Förderphase für ihren Einsatz in einer Interventionsstudie optimiert:

3 Anreicherungsmodule

  • Proteindrink (Orange-Mango-Geschmack, 250 mL, 220 kcal, 22 g Protein)
  • Süße Proteinsahne (mit Puderzucker und Zimt, 40 g, 125 kcal, 10 g Protein)
  • Herzhafte Proteinsahne (mit Maltodextrin, Pfeffer und Brühe, 40 g, 125 kcal, 10 g Protein)

und wieder in Form gebrachte texturmodifizierte Kost.

Interventionskonzept:

Die Produkte wurden in einem individualisierten multimodalen Ernährungskonzept kombiniert. Die Anreicherungsmodule wurden in Stufen einzeln oder in Kombination angeboten, um – unter Berücksichtigung des BMI, individueller Gewichtsziele sowie Vorlieben und Abneigungen – individuelle Energie- und Proteindefizite der Bewohner auszugleichen. Die reguläre pürierte Kost wurde während der Intervention durch Texturierungsmittel und Silikonformen wieder in Form gebracht (1).

Interventionsstudie:

Dieses Ernährungskonzept wurde in 2 Pflegeheimen in Nürnberg implementiert und umgesetzt. Um die Effekte der individualisierten Intervention auf die Energie- und Eiweißzufuhr sowie das Körpergewicht, die körperliche Funktionalität und die Lebensqualität zu untersuchen, erhielten 50 Studienteilnehmer*innen nach sechs Wochen üblicher Ernährung sechs Wochen Intervention. Insgesamt konnten Energie- und Proteinzufuhr sowie eine Subskala der Lebensqualität (Pflegebeziehungen) erfolgreich gesteigert werden. Das Körpergewicht, die Handkraft oder weitere Subskalen der Lebensqualität haben sich hingegen nicht verändert (2).

Evaluation:

Im Anschluss an die Interventionsstudie wurden die Praktikabilität der Intervention, die Akzeptanz der Pflegekräfte sowie Motivatoren und Barrieren einer erfolgreichen Umsetzung der Intervention in den Pflegeheimen erfasst. Akzeptanz und Praktikabilität der Interventionsmaßnahmen wurden sehr unterschiedlich bewertet. Unter anderem zeigten Pflegefachkräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen (Pflegehelfer*innen und soziale Betreuung) eine höhere Akzeptanz und bewerteten die Praktikabilität besser. Zudem scheinen etablierte Maßnahmen wie Trinknahrung oder texturmodifizierte Kost besser akzeptiert zu werden als innovative Maßnahmen wie die Proteinsahne (1,3).

Durch die Corona-Pandemie bedingt, konnten die technischen Hilfen zur Verbesserung der Flüssigkeitsversorgung von Pflegeheimbewohnern noch nicht in der Praxis zum Einsatz kommen. Die diesbezüglich geplante Pilotstudie wird nachgeholt, sobald Studien in Pflegeheimen wieder möglich sind.

Referenzen

  1. Seemer J, Kiesswetter E, Blawert A, Fleckenstein D, Gloning M, Bader-Mittermaier S, Sieber CC, Wurm S, Volkert D. An individualised nutritional intervention concept for nursing home residents with or at risk of malnutrition: An enable study. Geriatrics. 2021;6(1):12. https://doi.org/10.3390/geriatrics6010002.  
  2. Seemer J, Kiesswetter E, Fleckenstein D, Gloning M, Lötzbeyer T, Mittermaier S, Sieber CC, Wurm S, Volkert D. Effects of an individualised nutritional intervention on dietary intake and quality of life in nursing homes residents with (risk of) malnutrition: An enable study. Clinical Nutrition ESPEN 2020; 40: 681-2. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.clnesp.2020.09.833. (Kongress-Abstract)
  3. Seemer J, Blawert A, Kiesswetter E, Sieber CC, Wurm S, Volkert D. Evaluation einer individualisierten Ernährungsintervention zur Bewältigung von Mangelernährung bei Pflegeheimbewohnern durch Pflegekräfte: Ergebnisse einer enable-Studie. Proc Germ Nutr Soc 2021; 27: 51 (Kongress-Abstract)